Flöte (1), Klarinette (1), Klavier (1), Akkordeon (1), Violine (1), Violoncello (1)
PDF-Preview (Partiturausschnitte): Thomas Wally (Homepage)
Hörbeispiel: Thomas Wally (Homepage)
Beschreibung
"„In meinen Mußestunden male ich. Um des Stoffes Herr werden zu können, wähle ich eine Leinwand oder lieber eine Malpappe von mäßiger Größe, damit ich in zwei bis drei Stunden, solange die Inspiration vorhält, das Bild vollenden kann. Eine vage Vorstellung beherrscht mich. Ich sehe ein schattiges Waldinneres vor mir, von dem aus man das Meer bei Sonnenuntergang erblickt. Also los: Mit dem Messer, das mir als Malwerkzeug dient – ich besitze keine Pinsel! - verteile ich die Farben auf der Pappe und mische sie dort, in der Absicht, einen ungefähren Entwurf zu erhalten. Die Öffnung in der Mitte der Leinwand stellt den Meereshorizont dar. Jetzt teilt sich das Waldinnere, die Baumkronen, das Gezweig, in Gruppen von Farben, vierzehn, fünfzehn, ein Durcheinander, aber immer harmonisch. Die Leinwand ist bedeckt. Ich trete zurück und schaue. Zum Teufel! Ich kann kein Meer entdecken. Die beleuchtete Öffnung zeigt nur eine unendliche Perspektive von rosa und bläulichem Licht, in welchem nebelhafte Wesen, körper- und zwecklos, wie Feen mit Wolkenschleppen umherschweben. Der Wald ist zu einer dunklen unterirdischen Höhle geworden [...] und dort, rechts, hat das Messer die Farben zu stark geglättet, so daß sie den Reflexen auf einer Wasserfläche gleichen. - Sieh mal an! Ein Teich. Stimmt! [...] Das Messer arbeitet ein paar Sekunden, und der Teich ist von Rosen [...] eingerahmt. [...] Meine Frau [...] schaut und fällt in Verzückung vor der ›Höhle des Tannhäuser‹, aus der großen Schlange (das sind meine schwebenden Feen) sich ins Wunderland hinausschlängelt und die Malven (meine Rosen) sich in der Schwefelquelle (meinem Teich!) spiegeln [...].“
Der Auftrag für ein neues Stück für das Ensemble Wiener Collage im Frühjahr 2008 war gekoppelt an die Bitte, das Stück solle einen Strindberg-Bezug haben. Im Buch Der Andere Strindberg stieß ich nun auf die oben angeführte Passage, welche 1894 in dem Essay „Neue Kunstformen oder Der Zerfall im künstlerischen Schaffen“ erschienen war und in dem Strindberg seine Arbeitsweise als Maler beschreibt. Mein Strindberg-Bezug sah nun folgendermaßen aus: Sowie Strindberg sich seiner Malpappe von mäßiger Größe mit einer vagen Vorstellung näherte und innerhalb kurzer Zeit ein Bild malte, so begann auch ich an meinem Stück zu arbeiten. Innerhalb von ein, zwei, drei Stunden arbeitete ich – ohne jeglicher Idee der Großform – an sehr kurzen Passagen (meist nur einen oder wenige Takte lang) und begann mich so in meinem eigenen Stück vorzutasten. Dies ist zu Beginn des Stückes sehr deutlich zu hören – Tempo und Charakter ändern sich sehr schnell, es gibt viele Schnitte und nur sehr kurze Entwicklungen. Ich reihte quasi eine Malpappe an die andere. Erst als das Stück zu fließen begann, kam ich von dieser Arbeitsweise ab. Die andere Verbindung zu Strindberg ist die Art und Weise, wie sich das Vorhaben im Zuge des Malens änderte. Aus dem geplanten Meer wird ein Teich. Dadurch, dass ich mehr oder weniger planlos zu Beginn an das Stück heranging, wurden viele momentane Ideen nur teilweise umgesetzt, abgebrochen oder modifiziert. Der Begriff Schwefelquelle schließt nun im Falle Strindbergs noch die Rezeption ein. So ist in diesen drei Begriffen „meer – teich – schwefelquelle“ der Prozess „Vorhaben – tatsächliche Umsetzung (in eigenen Augen) – Rezeption (durch eine dritte Person)“ dargestellt. Ich habe die drei Begriffe erst im Nachhinein als Titel gewählt, es gibt keine andere Verbindung zwischen diesen drei Begriffen und meinem Stück, zumindest keine, die mir bewusst wäre."
Werkeinführung, Thomas Wally, abgerufen am 04.11.2021 [http://www.thomaswally.com/assets/we_meer-teich-schwefelquelle.pdf]
Uraufführung
9. Oktober 2008 - Arnold Schönberg Center, Wien
Mitwirkende: Ensemble Wiener Collage, René Staar (Dirigent)
Aufnahme
Titel: Thomas Wally: meer, teich, schwefelquelle
Plattform: SoundCloud
Herausgeber: Ensemble Wiener Collage
Jahr: 2011
Mitwirkende: Ensemble Wiener Collage, René Staar (Dirigent)
Empfohlene Zitierweise
mica (Aktualisierungsdatum: 9. 11. 2021): Wally Thomas . meer, teich, schwefelquelle. In: Musikdatenbank von mica – music austria. Online abrufbar unter: https://db.musicaustria.at/node/157624 (Abrufdatum: 4. 12. 2024).